Exklusives Interview: Warum bestimmte Maschinen entstehen

von Global Coffee Report
coffee competence

Warum bestimmte Maschinenkonzepte entstehen

Schaerer verrät, wie und warum bestimmte Kaffee- und Maschinenkonzepte entstehen

Schaerer-Geschäftsführer Jörg Schwartze erklärt, wie und warum bestimmte Kaffee- und Maschinenkonzepte bei Schaerer entwickelt werden. Ein Vorgehen nach Schema F für den gesamten Weltmarkt zahlt sich nur selten aus. Im Kaffeegeschäft ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Unternehmen eine Maschine in den verschiedenen Regionen jeweils anders nutzen und auch anders von denselben Funktionen profitieren. Deshalb stehen beim Schweizer Kaffeemaschinenhersteller Schaerer die Kunden und ihre individuellen Bedürfnisse im Mittelpunkt, um perfekte Produkte und Services für deren spezielle Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Schaerer-Geschäftsführer Jörg Schwartze erzählt im Gespräch exklusiv mit Global Coffee Report, dass am Anfang dieses Prozesses die Frage nach den Zielen des Kunden steht.

„In dieser Phase des Entwicklungsprozesses sind besonders unsere Flexibilität sowie Maschinen-, Kaffee- und Marktexpertise gefragt,“ sagt Schwartze. „Oft kommen Kunden in den ganz frühen Planungsphasen und nur mit ersten vagen Vorstellungen von ihrem Vorhaben auf uns zu.

Wir arbeiten dann mit ihnen zusammen, bis wir das Konzept so gestalten können, dass es nicht nur realisierbar ist, sondern auch Erfolg versprechend ist.“ 

2019 hat Schaerer seine neue Markenstrategie der Anpassungsfähigkeit unter dem Motto „We love it your way“ eingeführt. Sie wird am besten durch das Select-Konzept der neuen Schaerer Coffee Soul repräsentiert. Es ermöglicht dem Kunden, die jeweilige technische Ausstattung zu wählen und Designüberlegungen für sein ganz spezielles Modell einzubringen.

Die Möglichkeit der Anpassung war laut Schwartze schon immer ein Serviceangebot Schaerers für die vielfältige weltweite Kundenbasis, zu denen Cafés, Hotels, Restaurants, Bars, Bäckereien, Tankstellen und Supermärkte gehören. Nach der offiziellen Anerkennung der Anpassungsfähigkeit als wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Marke konnte Schaerer seine Prozesse und Fertigung neu ordnen, um sie so effizient wie möglich zu gestalten.

„Das äussere Erscheinungsbild und die grafische Benutzerschnittstelle (GUI) waren die wichtigsten Faktoren, die wegen spezifischer Anforderungen oft angepasst werden mussten.

Das ist in der Regel mit Zeit und Kosten verbunden. Jetzt haben können wir Anpassungen viel freier konfigurieren“, erklärt Schwartze.

„Eine grosse Kette, die viele Maschinen kauft, kann viel Geld in eine individuelle Lösung investieren. Für kleine Restaurants oder Hotels ist das nicht realistisch."

Das Select-Konzept der Schaerer Coffee Soul erlaubt optische Anpassungen an der Maschine und Änderungen an der GUI sowie technische Konfigurationen, jeweils unabhängig voneinander und zu einem günstigen Preis.

Durch GUI-Änderungen kann eine Kaffeemaschine besser auf ihre Zielgruppe abgestimmt werden. Schwartze erläutert, dass sich die Displaygrösse in der Regel nach der Leistungsklasse der Maschine richtet – je höher die Klasse, desto grösser das Touch-Display. Dies ist jedoch nicht immer sinnvoll.

„Eine Kaffeekette mit Servicekräften braucht nicht unbedingt einen grossen Bildschirm, der Videos auf der Maschine wiedergeben kann."

"Hier steht die hohe Leistung im Vordergrund. Ein kleines Hotel dagegen, in dem sich die Gäste beim Kaffee selbst bedienen, kann auf Hochleistung verzichten, braucht aber ein grosses Touch-Display, das auch Werbespots und ähnliches wiedergeben kann“, sagt er.

„Dank dem Select-Prinzip haben Kunden die Wahl zwischen verschiedenen GUI-Konzepten."

Während ein Bildschirm mit einer komplexen Struktur die schnelle Auswahl und Anpassung von Getränken durch das Servicepersonal erlaubt, führt das Selbstbedienungsmodell den Verbraucher durch verschiedene intuitive Menüs. Für den regelmässigen Nutzer in Büroumgebungen gibt es einen Mittelweg, der die tägliche Kaffeezubereitung erleichtert.

Das Schaerer Coffee Soul Select-Konzept stellt jedoch nur einen Ansatz des Herstellers für Anpassungen dar. Schwartze sagt, dass Schaerer weitere individualisierte Lösungen für seine Kunden entwickeln wird, von denen viele in das Schaerer-Portfolio übernommen werden. Eines der letzten Projekte resultierte in der Einführung des Schaerer Premium Coffee Corner-Konzepts für Selbstbedienungsautomaten, während Funktionen wie die Hot & Cold-Technologie oder die automatische Mahlgradeinstellung optionale Erweiterungen bei Select- oder anderen Schaerer-Einheiten sind.

Schwartze sieht die Möglichkeit der Anpassung an neue Trends als Vorteil für die weltweiten Aktivitäten und Kundenbeziehungen von Schaerer.

„Verschiedene Anforderungen stammen aus den drei Bereichen Geschmack, technische Affinität und vor Ort geltenden Richtlinien."

*In den Vereinigten Staaten wird beispielsweise der sogenannte American Long Black Coffee stark nachgefragt, während in Europa Spezialitäten auf Espresso-Basis beliebter sind. In Asien wiederum liegen Kaffeegetränke auf Milchbasis im Trend. Daher ist es absolut möglich, dass eine internationale Kaffeehauskette in den USA Maschinen mit ganz anderer Ausstattung als in Europa oder Asien wünscht“, sagt Schwartze.

„Also haben wir die Coffee Art Plus[-Maschine] an die Bedürfnisse der Kunden auf dem US-Markt angepasst. Sie arbeitet zwar mit frischen Bohnen, der Geschmack des Endprodukts ähnelt jedoch stark dem normalen Filterkaffee.“

Laut Schwartze kann es je nach technischer Affinität grosse Unterschiede geben bei den bevorzugten Zahlungslösungen in den verschiedenen Regionen. „Auf dem europäischen Markt herrschen noch Kartenleser oder sogar Bargeld vor. Doch die Online-Zahlung wird immer beliebter, nicht zuletzt wegen der Corona[virus]-Pandemie. In China dagegen wird alles per Smartphone erledigt – ohne WeChat Pay und Ali Pay haben Sie keine Chance“, weiss er.

„Letzlich können auch vor Ort geltende Richtlinien eine Rolle spielen. In Asien beispielsweise gibt es Bereiche, die vollautomatische Selbstbedienungsmaschinen ohne direkten Kontakt erfordern.“

Für Anpassungen dieser Art hat Schaerer seine Produktionseinrichtungen in der Schweiz auf mehreren Ebenen erweitert. So wurden beispielsweise Massnahmen ergriffen, um Prozesse skalierungsfreundlich, transparent und flexibel zu gestalten.

„Wir nutzen ein extrem agiles Produktionsstättenkonzept mit mobilen Arbeitsplätzen, sodass wir ganze Produktionslinien über Nacht oder bei Bedarf implementieren können“, sagt Schwartze.

„Die Produktionslinie kann ohne grossen Aufwand beispielsweise von der Coffee Soul auf die Coffee Art oder von der getakteten Produktion mit viel höherem Durchsatz für den Grossauftrag eines Modells umgestellt werden.“

„Im Gegensatz dazu ist unser Automatisierungsgrad nicht so hoch wie bei anderen Herstellern. Sie werden in unseren Produktionseinrichtungen keine Roboter oder automatisierten Transportfahrzeuge finden."

Derartige Investitionen zahlen sich nur aus, wenn genau dasselbe Produkt in grossen Stückzahlen hergestellt wird. Das widerspricht jedoch unserer Personalisierungsphilosophie.

Da sich die Kaffeebranche weiterentwickelt, rechnet Schwartze mit neuen Trends in der Branche und ihrer Technologie.

„Bei den internationalen Kaffeetrends sehen wir, dass in Übersee grosse Getränkeportionen sehr beliebt sind."

"Deren Zubereitung in konsistenter Qualität ist eine Herausforderung, die uns Maschinenhersteller in nächster Zukunft noch beschäftigen wird“, erklärt er. „Bei der Technologie ist die Digitalisierung in Verbindung mit der [Selbst-]Bedienung oder zentralen Steuerung ganzer Kaffeemaschinenflotten das vorherrschende Thema.

Durch die Unsicherheit wegen der Coronavirus-Pandemie hat sich laut Schwartze deutlich gezeigt, wie hoch die Nachfrage nach Kaffeeautomaten mit kontaktloser Bedienung und Zahlung ist.

„Hier wollen wir mit vorhandenen Lösungen vorausdenken, wenn es um intuitive Bedienung, zuverlässige Prozesse und Hygiene geht. Letztere bedeutet auch neue Anforderungen bei einem entscheidenden Thema für den Betrieb: die vollautomatisierte Reinigung.“

„Wir arbeiten intensiv an neuen Lösungen, um diese Prozesse zu beschleunigen und zu vereinfachen.“

Bericht erscheint in der November/Dezember 2020 Ausgabe von Global Coffee Report. 

Global Coffee Report

Quellen

Bilder: Schaerer Archiv